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Die Bedeutung der Farbe bei Olivenöl: Warum Gold und Grün gleichwertig sind

Wenn wir Lebensmittel beurteilen, spielt das Auge eine entscheidende Rolle. Bei Olivenöl assoziieren viele Konsumenten ein sattes Grün instinktiv mit Frische und einem grasigen Geschmack, während gelbliche Töne oft Fragen nach der Intensität oder dem Reifegrad aufwerfen.

Als Olivenbauer möchte ich diesen Zusammenhang etwas genauer beleuchten und einordnen. Aus fachlicher Sicht ist die Farbe im Glas nämlich kein isoliertes Qualitätsmerkmal, sondern das Resultat vieler natürlicher Faktoren. Es lohnt sich, den Blick von der reinen Optik zu lösen und die biologischen Hintergründe zu verstehen.

Lässt die Farbe Rückschlüsse auf die Qualität zu?

Um es sachlich einzuordnen: Die Farbe eines Olivenöls ist kein primärer Indikator für dessen Qualität (Güteklasse) oder den gesundheitlichen Wert. Ein hochwertiges Natives Olivenöl Extra kann farblich von Hellgelb über Gold bis hin zu Tiefgrün variieren. Die Farbgebung wird durch die Olivensorte, den Erntezeitpunkt und die klimatischen Bedingungen bestimmt. Entscheidend für die Qualität sind die chemischen Parameter (wie der Säuregehalt) und die sensorische Prüfung von Geruch und Geschmack.

Die Biochemie: Chlorophyll und Carotine

Die Farbe, die wir im Glas sehen, entsteht durch das Mischverhältnis natürlicher Pflanzenfarbstoffe, die in der Olive enthalten sind. Zwei Hauptgruppen sind hierbei ausschlaggebend:

  • Chlorophyll: Dieser Farbstoff ist für die grünen Töne verantwortlich. Er ist in unreifen Früchten stärker konzentriert und baut sich im Laufe des Reifeprozesses ab.
  • Carotinoide (Carotine): Diese Pigmente sorgen für gelbe bis orangefarbene Nuancen. Sie treten optisch stärker hervor, wenn der Chlorophyllgehalt sinkt oder genetisch geringer veranlagt ist.

Beide Farbstoffgruppen sind natürlich und kommen in jedem Olivenöl vor. Das Verhältnis verschiebt sich jedoch je nach Reifegrad und Sorte, ohne dass dies zwangsläufig eine Aussage über den Polyphenolgehalt (die wertvollen Bitterstoffe) zulässt.

Sortentypische Unterschiede: Kolovi vs. Koroneiki

Ein wesentlicher Faktor für die Farbe ist die Genetik der jeweiligen Olivensorte. Auf Lesbos kultivieren wir die Kolovi-Olive (auch Valanolia). Diese Sorte besitzt eine andere Pigmentierung als beispielsweise die weit verbreitete Koroneiki-Olive.

Während manche Sorten dazu neigen, sehr viel Chlorophyll einzulagern und dadurch ein intensives Grün im Öl erzeugen, tendiert die Kolovi-Olive von Natur aus eher ins Goldgelbe. Dies ist eine sortentypische Eigenschaft. Selbst bei einer frühen Ernte, die normalerweise grünere Öle hervorbringt, bewahrt sich die Kolovi oft ihren goldenen Charakter. Es handelt sich hierbei nicht um einen Qualitätsunterschied, sondern um eine varietäten-spezifische Charakteristik – ähnlich wie bei Weißweinsorten, die ebenfalls farblich variieren.

Der Einfluss des Erntezeitpunkts

In unseren Hainen auf Lesbos zeigt sich im November ein natürliches Farbspiel. Da wir keine Plantagenwirtschaft betreiben, reifen die Früchte am Baum nicht vollkommen uniform. An einem Ast finden sich oft Oliven in verschiedenen Stadien:

  • Grüne Früchte (höherer Chlorophyll-Anteil)
  • Violette Früchte (Übergangsstadium, Zunahme der Carotine)
  • Schwarze Früchte (Vollreife)

Bei der Verarbeitung entsteht daraus ein Öl, das die Summe dieses Spektrums abbildet. Unsere aktuelle Frühabfüllung ist ein gutes Beispiel für dieses Phänomen: Sie präsentiert sich im Glas in einem warmen Gelb, bedingt durch den natürlichen Anteil violetter Oliven bei der Ernte.

Sensorik vor Optik

Das Interessante an der diesjährigen Ernte ist die Diskrepanz zwischen optischer Erwartung und geschmacklicher Realität. Obwohl das Öl gelb leuchtet – eine Farbe, die mancherorts mit "milden" Ölen assoziiert wird –, ist das sensorische Profil kräftig. Das Öl besitzt ausgeprägte Bitternoten und eine deutliche Schärfe, was auf einen hohen Polyphenolgehalt hinweist.

Fazit: Die Farbe ist ein faszinierendes Merkmal der Natur, aber sie ist biochemisch (Chlorophyll vs. Carotin) vom Geschmack (Aromatik und Polyphenole) zu unterscheiden. Ob ein Öl grün oder gelb schimmert, ist die Handschrift der Sorte und der Erntebedingungen. Für die Beurteilung der Qualität empfehle ich daher, sich weniger auf das Auge und mehr auf Nase und Gaumen zu verlassen.


Häufige Fragen zu Olivenöl und Farbe

Warum sind manche Olivenöle trüb?

Ein trübes Olivenöl ist in der Regel ungefiltert (naturtrüb). Die Trübung entsteht durch kleinste Fruchtfleischpartikel und Wasserreste, die nach der Pressung im Öl verbleiben. Gefilterte Öle hingegen sind klar, da diese Schwebstoffe entfernt wurden. Beide Varianten können von hoher Qualität sein, wobei gefilterte Öle oft stabiler in der Lagerung sind.

Sollte Olivenöl vor Licht geschützt werden?

Ja, unbedingt. Unabhängig von der Farbe des Öls ist Licht (UV-Strahlung) einer der Faktoren, der die Alterung (Oxidation) von Olivenöl beschleunigt. Deshalb füllen Qualitätshersteller ihr Öl meist in dunkle Glasflaschen oder lichtundurchlässige Kanister ab, um die Inhaltsstoffe und den Geschmack bestmöglich zu bewahren.

Kann man anhand der Farbe Fälschungen erkennen?

Nein, die Farbe allein reicht nicht aus, um die Echtheit zu prüfen. Zwar ist eine unnatürliche Farbgebung verdächtig, aber Fälschungen können farblich angepasst werden. Um sicherzugehen, dass es sich um echtes Natives Olivenöl Extra handelt, sind Laboranalysen und der Kauf bei vertrauenswürdigen Erzeugern oder Händlern der sicherste Weg.

Ist die Frühabfüllung immer grün oder auch mal gelb?

Dass unsere frische November-Abfüllung auch mal goldgelb leuchtet, liegt an den violetten, perfekt gereiften Oliven. Überwiegen sie am Erntetag, wird das Öl golden; sind mehr grüne dabei, wirkt es grüner. Beides ist extrem frisch und von bester Qualität. Die Farbe ist lediglich ein Spiegel der Tagesernte und verrät nichts über die Intensität.

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