Es gibt Momente im Leben eines Olivenbauern, die dich zwingen, alles zu hinterfragen, was du über dein Handwerk zu wissen glaubst. Für mich war dieser Moment ein Telefonat mit Thomas Imbusch.
Thomas, der visionäre Kopf hinter dem mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten 100/200 Kitchen in Hamburg, fragte mich nicht nach unserem Bestseller. Er suchte nicht nach Harmonie. Seine Frage war so präzise wie fordernd:
„Hast du nicht ein Olivenöl, das Druck hat? Das DNA hat? Das Dampf macht?“
Meine erste Reaktion wäre fast ein routiniertes „Nein“ gewesen. Doch wenn einer der besten Köche Deutschlands nach einer Zutat sucht, die es eigentlich nicht geben sollte, weckt das den Ehrgeiz. Diese Anfrage war der Geburtsstunde unseres vielleicht radikalsten Projekts: Bambatsa.
Das Dilemma: Harmonie vs. Charakter
Um zu verstehen, warum Thomas’ Anfrage so ungewöhnlich war, muss man unsere DNA bei Jordan Olivenöl kennen. Unsere Philosophie basiert seit jeher auf der „feinen Fruchtigkeit“. Wir nutzen die autochthonen Olivensorten der Insel Lesbos:
- Kolovi: Bekannt für ihre Milde und dezenten Kräuternoten.
- Adramitiani: Geschätzt für ihr feines Aroma und die Balance.
Unser Ziel war immer ein Natives Olivenöl Extra, das Gerichte hebt und begleitet, statt sie zu dominieren. Wir suchten den perfekten Punkt zwischen Bitterkeit und Schärfe. Ein Öl, das Thomas als „Dampfhammer“ bezeichnete, widersprach eigentlich allem, wofür unsere etablierte Marke stand. Ein zu bitteres Öl gilt im Massenmarkt oft als Fehler – in der Avantgarde-Küche jedoch kann es das fehlende Puzzleteil sein.
Das Experiment: Die radikale Frühernte (Agoureleo)
Der Gedanke ließ mich nicht los. In der Fachsprache nennen wir extrem früh geerntetes Öl Agoureleo. Es ist ein Bereich, den wir normalerweise nur vorsichtig betreten. Doch für das Projekt Bambatsa entschied ich mich, die Regeln bewusst zu brechen.
Ich ging in einen ganz bestimmten Hain und startete die Ernte Wochen früher als üblich. Zu diesem Zeitpunkt sind die Oliven noch unreif und tiefgrün. Das Ergebnis dieses Experiments war faszinierend:
- Extrem hoher Polyphenolgehalt: Durch die frühe Ernte bleiben antioxidative Pflanzenstoffe in maximaler Konzentration erhalten.
- Geschmacksprofil: Das Öl war kein Schmeichler. Es war herb, wild, bitter und hatte eine enorme Schärfe im Abgang.
- Ertrag: Wirtschaftlich eigentlich unsinnig, da unreife Oliven viel weniger Öl geben als reife.
Aber es war genau das, was Thomas Imbusch gesucht hatte. Ein Öl mit „Dampf“. Ein Statement, das auf dem Teller Widerstand leistet und Ecken und Kanten zeigt.

Bambatsa: Ein Agrotoponym erzählt Geschichte
Das Produkt war geboren, aber es brauchte einen Namen, der seiner Herkunft gerecht wurde. Die Oliven für diese erste wilde Charge stammten von einem Hain direkt an unserem Familienhaus auf Lesbos, gelegen zwischen den Dörfern Trigona und Agia Barbara.
Die Einheimischen nennen dieses Hochplateau „Bambatsa“. Was für deutsche Ohren wie ein Fantasiename klingt, ist ein sogenanntes Agrotoponym – ein Flurname, der die landwirtschaftliche Geschichte eines Ortes speichert.
Vom Baumwollfeld zum Olivenhain
Der Name leitet sich vom griechischen Wort für Baumwolle (bambaki) ab. Es ist ein historisches Zeugnis einer vergangenen Ära. Heute prägen endlose Olivenhaine das Bild von Lesbos, doch dieses Plateau war einst so fruchtbar und wasserreich, dass dort intensiv Tabak und Baumwolle kultiviert wurden.
Wenn wir heute eine Flasche Bambatsa öffnen, schmecken wir also nicht nur die gewagte Bitterkeit der frühen Olive. Wir schmecken die Geschichte eines Terroirs, das sich gewandelt hat, aber seinen Namen behielt.
Fazit: Mut zur Unbequemlichkeit
Das Bambatsa-Projekt hat mich gelehrt, dass Innovation oft dort entsteht, wo wir unsere Komfortzone verlassen. Um etwas Neues zu schaffen, mussten wir buchstäblich früher aufstehen und gegen unsere gewohnte Harmonie-Philosophie ernten.
Heute steht Bambatsa für ein Olivenöl, das den Mut hat, anders zu sein. Es ist der Beweis, dass Tradition (der Name des Feldes) und Avantgarde (der Anspruch der Sterneküche) perfekt harmonieren können – gerade weil sie im Geschmack nicht harmonisch, sondern spannend sind.
Häufige Fragen zum Bambatsa-Olivenöl
Was unterscheidet Bambatsa von klassischem Jordan Olivenöl?
Während unser klassisches Jordan Olivenöl auf eine ausgewogene Balance und feine Fruchtigkeit setzt (Medium Fruity), ist das Bambatsa ein intensiv-fruchtiges Öl (Intense Fruity). Es wird deutlich früher geerntet, was zu einem höheren Gehalt an Polyphenolen führt. Das schmeckt man durch eine ausgeprägte Bitterkeit und eine deutliche Schärfe im Abgang – ideal als Würzöl, weniger als reines Kochöl.
Warum ist ein bitteres Olivenöl ein Qualitätsmerkmal?
Bitterkeit und Schärfe (Pungency) sind bei einem Nativen Olivenöl Extra positive Attribute. Sie signalisieren das Vorhandensein von Oleocanthal und Oleuropein. Diese sekundären Pflanzenstoffe (Polyphenole) sind nicht nur gesundheitlich wertvoll, sondern sorgen auch für die Oxidationsstabilität des Öls. Ein „kratziger“ Hals nach dem puren Genuss ist also kein Fehler, sondern ein Qualitätsbeweis für eine frühe und schonende Ernte.
Wie verwende ich das Bambatsa Olivenöl in der Küche?
Aufgrund seines dominanten Charakters eignet sich Bambatsa hervorragend als „Finishing Oil“. Es passt perfekt zu kräftigem Grillfleisch, bitteren Salaten (wie Radicchio oder Rucola), deftigen Eintöpfen oder einfach pur zu frischem Weißbrot. In der Sterneküche wird es genutzt, um Gerichten eine letzte, prägnante Spitze zu verleihen, die einen Kontrast zu cremigen oder süßlichen Komponenten bildet.