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Hilfe, mein Olivenöl flockt: Warum Kälte im Winter ein Qualitätsbeweis ist

Draußen sinken die Temperaturen, der Advent steht vor der Tür – und pünktlich zur kalten Jahreszeit häufen sich bei uns im Kundenservice die besorgten Anrufe. Das Szenario ist fast immer identisch: Ein Kunde freut sich auf seine Lieferung von der Insel Lesbos, öffnet das Paket, zieht die Flasche Jordan Olivenöl heraus und erstarrt.

Der Schreckmoment: Im Öl schwimmen weiße Flocken, Schlieren oder der gesamte Flascheninhalt hat sich in eine trübe, feste Masse verwandelt. Die logische, aber besorgte Frage lautet dann: „Herr Jordan, ist das Öl beim Transport gekippt? Ist es schlecht geworden?“

Wenn Sie dieses Phänomen bei Ihrer Winterbestellung beobachten, kann ich Ihnen sofort Entwarnung geben. Was Sie sehen, ist kein Qualitätsmangel. Ganz im Gegenteil: Es ist reine Physik und paradoxerweise einer der besten Beweise für die Natürlichkeit unseres Produkts.

Warum wird Olivenöl bei Kälte fest?

Viele Verbraucher sind es gewohnt, dass Speiseöl immer flüssig ist. Doch Olivenöl verhält sich physikalisch eher wie Butter oder Kokosfett, nur dass der „Schmelzpunkt“ woanders liegt. Während Wasser bei 0 Grad Celsius gefriert, beginnt der Erstarrungsprozess bei reinem Olivenöl bereits deutlich früher.

Ab einer Temperatur von ca. 7 Grad Celsius (+/-) beginnt Olivenöl zu kristallisieren.

Chemisch betrachtet liegt das an der Fettsäurestruktur. Olivenöl besteht zum Großteil aus einfach ungesättigten Fettsäuren (Ölsäure). Wenn die Temperatur sinkt, rücken diese Moleküle enger zusammen und bilden eine feste Struktur. Das Ergebnis sind die ominösen weißen Flocken oder eine komplett „eingefrorene“, butterartige Konsistenz.

Die Rolle der Wachse: Ein Zeichen für Natur pur

Als Olivenbauer finde ich ein Detail besonders spannend, das in der Lebensmittelchemie oft übersehen wird: Die natürlichen Wachse. Jede Olive besitzt eine schützende Hautschicht, die mit mikroskopisch kleinen Wachsen überzogen ist. Diese Wachse schützen die Frucht am Baum vor Austrocknung und Schädlingen.

Bei der Herstellung unseres Nativen Olivenöls Extra, insbesondere beim schonenden Kaltauszug, gelangen diese natürlichen Wachse mit in das Öl. Sie sind vollkommen unbedenklich und geschmacksneutral.

Warum das wichtig ist? Weil die Olivensorte entscheidet:

  • Dicke Schale: Sorten mit dickerer Haut haben einen höheren Wachsgehalt. Sie flocken bei Kälte schneller und intensiver aus.
  • Dünne Schale: Sorten mit sehr dünner Haut verhalten sich etwas moderater.

Wenn Ihr Jordan Olivenöl also im Winter flockt, ist das ein Qualitätsindikator. Es zeigt Ihnen, dass es sich um ein unraffiniertes Naturprodukt handelt, dem diese Wachse nicht – wie in der Großindustrie oft üblich – durch extreme Filtration oder chemische Prozesse ("Winterisierung") entzogen wurden. Sie haben die volle Kraft der Olive in der Flasche.

Mythos Kühlschrank: Sollte man Olivenöl kalt lagern?

Immer wieder werde ich gefragt: „Wenn Kälte dem Öl nicht schadet, soll ich es dann nicht gleich im Kühlschrank lagern, um die Frische zu maximieren?“

Meine Antwort als Fachmann ist differenziert: Technisch ja, praktisch nein.

Warum der Kühlschrank keine gute Idee ist

Zwar konservieren Dunkelheit und Kälte die wertvollen Inhaltsstoffe (wie Polyphenole und Vitamine) hervorragend, doch die Nachteile in der täglichen Handhabung überwiegen:

  • Unpraktische Konsistenz: Im Kühlschrank wird das Öl dauerhaft fest. Niemand möchte beim Kochen erst 20 Minuten warten, bis das Öl wieder aus der Flasche fließt.
  • Das Kondenswasser-Problem: Das ist der wichtigste Punkt. Durch den ständigen Wechsel von „Kühlschrank-Kalt“ zu „Küchen-Warm“ entsteht Kondenswasser im Inneren der Flasche (ähnlich wie bei einer kalten Brille, die beschlägt). Wasser ist der natürliche Feind des Olivenöls. Es beschleunigt die Hydrolyse und Oxidation, was das Öl ranzig machen kann.

Praxis-Tipps: So retten Sie "gefrorenes" Öl

Lassen Sie sich die Stimmung – ob im Advent oder generell im Winter – nicht von ein paar Wachsflocken trüben. Wenn Ihr Paket bei eisigen Temperaturen ankommt, gehen Sie wie folgt vor:

  1. Geduld bewahren: Stellen Sie die Flasche oder den Kanister einfach bei Zimmertemperatur (ca. 20-22°C) in die Küche.
  2. Nicht erhitzen: Stellen Sie das Öl bitte nicht auf die Heizung oder in ein Wasserbad, um es schneller aufzutauen. Starke Temperaturschwankungen können der Qualität schaden.
  3. Warten: Das Öl taut von selbst auf. Es wird wieder vollkommen klar, flüssig und behält 100% seines Geschmacks und seiner gesundheitlichen Vorzüge.
  4. Lagerung: Sobald es aufgetaut ist, stellen Sie es in einen Küchenschrank oder eine Vorratskammer – dunkel und kühl (ca. 14-18°C), aber eben nicht eiskalt.

Hand aufs Herz: Wo steht das Olivenöl bei Ihnen? Dunkel im Schrank oder – wie ich es leider oft sehe – griffbereit direkt neben dem heißen Herd? Letzteres ist zwar praktisch, aber für die Haltbarkeit Ihres Premium-Öls der ungünstigste Platz.


Häufige Fragen zu flockigem Olivenöl (FAQ)

Ab welcher Temperatur gefriert Olivenöl?

Olivenöl hat keinen exakten Gefrierpunkt wie Wasser, sondern einen Erstarrungsbereich. Ab ca. 10 °C kann es eintrüben, ab etwa 7 °C beginnt die deutliche Kristallisation (Flockenbildung) und unterhalb von 4 °C wird es meist vollständig fest (butterartig).

Sind weiße Flocken im Olivenöl schädlich?

Nein, absolut nicht. Die Flocken bestehen aus natürlich kristallisierten Fettsäuren und Wachsen der Olivenschale. Sie sind gesundheitlich unbedenklich, geschmacksneutral und lösen sich bei Zimmertemperatur wieder vollständig auf.

Verliert das Olivenöl durch das Gefrieren an Qualität?

Nein. Einmaliges Durchfrieren während des Transports schadet einem hochwertigen Olivenöl nicht. Wichtig ist nur, dass Sie es schonend bei Raumtemperatur auftauen lassen. Die Aromen und Polyphenole bleiben dabei erhalten.

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